Rhizosphäre

Ein Beitrag von Rainer Maché

Die Rhizosphäre beschränkt sich bei den meisten Kulturpflanzen auf die obersten 20 cm. In der Rhizosphäre gibt es drei Substratquellen: die Wurzelexsudate, die aufgelösten Reste von abgestorbenen Zellen und Wurzeln sowie die Schleimstoffe. Die Wurzelexsudate sind eine leicht verfügbare Kohlenstoffquelle für die Mikroorganismen. 30 bis 60 % des fotosynthetisch gebundenen Kohlenstoffs geht in den Wurzelbereich 40 % davon in die Rhizosphäre zur Versorgung der Mikroorganismen im Boden. Ein durchwurzelter Boden enthält 42 % mehr Mikroorganismen als ein brach gefallener Boden.

Die Pflanzenverfügbarkeit der Nährelemente P, K, NH4, Fe, Zn, Mn und Cu ist durch deren niedrige Löslichkeit begrenzt. Diese Nährstoffe erreichen die Wurzeln meistens durch Diffusion oder Interzeption, das heißt den direkten Kontakt zwischen Boden und Wurzel. Um mit diesen Elementen ausreichend versorgt zu werden, bilden die Pflanzen ständig neue Wurzeln und vernetzen sich mit der Mykorrhiza. Außerdem sondern sie organische Säuren ab. Die Ausscheidungen der Pflanzenwurzeln haben einen starken Einfluss auf den umgebenden Boden und dessen Mikroflora. Die Wurzeln stellen alles zur Verfügung, was die Mikroorganismen benötigen, aber selber nicht synthetisieren können, vor allem Kohlenstoff und Energie. Die Pflanzenwurzeln und ihre „Partner“ (Bakterien, Pilze, Mikrofauna) sind eingebettet in Netzwerke (Food-Webs). Ziel der Pflanze ist der Aufbau einer effektiven Wurzelarchitektur, um Mineralstoffe und Wasser aufzunehmen. Eine verstärkte Wasseraufnahme ist mit einer steigenden Akkumulation von Ionen in der Rhizosphäre verbunden. Das gilt besonders für Kalzium und Magnesium. In Sandböden kann die Ca- und Mg-Konzentration in der Rhizosphäre die Konzentration in dem nicht durchwurzelten Boden um das 2- bis 3fache übersteigen. Das heißt Bodenverdichtung und Wassermangel führen zu einer verringerten Versorgung der Pflanzen mit den oben genannten Nährelementen. Bei Ionen mit ähnlichem Ionendurchmesser besteht eine gewisse Konkurrenz, z.B. zwischen Kalium und Rubidium, Ammonium, Cäsium bzw. Natrium  oder beim Kalzium mit Strontium und Barium. Auch bei den Anionen gibt es Konkurrenzeffekte, z.B. zwischen Sulfat und Molybdat bzw. Selenat, aber aucxh zwischen Chlorid und Nitrat.

Es gibt aber nicht nur partnerschaftliche Beziehungen (Symbiose), sondern auch eine Art Koexistenz und zerstörerische Beziehungen (Destruktion). Die Pflanzen sind in der Lage, ihre „Gäste“ zu kontrollieren, lassen aber auch Wettbewerb zu bis hin zum Fressen-und- Gefressen-Werden (Prädatoren). Um den Wettbewerb um die besten Plätze an der Wurzeloberfläche zu umgehen, haben es einige Mikroorganismen geschafft, das Innere der Wurzeln zu besiedeln (Endophyten). Die Bildung der organischen Substanzen in der Rhizosphäre hängt vom pH ab. Arten, die saure Standorte bevorzugen (Kamelien, Rhododendren, Azaleen, Erica) leiden auf kalkreichen Standorten unter P- und Fe-Mangel. Die Pflanzenwurzeln verfügen über mehrere Mechanismen, um unlösliche Nährstoffe aufnehmen zu können (z.B. die Reduktion von MnO oder die Versauerung). Daneben helfen drei verschiedene organische Verbindungen bei der Nährstoffaufnahme, die sog. Komplexbildner (Carboxylate, deutsch: Salze der Carbonsäuren; Siderophoren, deutsch: „Eisenträger“ und Phenole: Verbindungen mit einem aromatischen Ring)

Die Nährstoffaufnahme wird als elektroneutral bezeichnet. Das kann dazu führen, dass bei einem hohen Kationenüberschuss der pH-Wert in der Rhizosphäre um zwei Einheiten absinkt. Durch die Versauerung kann sich in den Wurzelzylindern eine Aluminium-Silizium-Matrix bilden. Bei gleichzeitig hohen Kalzium- und Sulfat-Konzentrationen kommt es zur Ablagerung von Gips auf den Wurzeln, die eine Dicke bis zu 1 cm erreichen können. Ein weiteres interessantes Phänomen ist die Bildung von Eisenrost-Placken auf den Wurzeln in wassergesättigten Böden. Der Grund: Die Pflanzen versorgen die Böden mit Sauerstoff; dieser wird von Eisen-oxidierenden Bakterien aufgenommen, und diese bilden dann den ungewollten Rostmantel. Auf Eisen-Mangel reagieren die Wurzeln mit zwei unterschiedlichen Strategien; Strategie I umfasst die Bildung von Protonen (Versauerung), reduzierenden Verbindungen, Chelaten und Enzymen (Eisen-Reduktasen); Strategie II, die Bildung von Phytosiderophoren, ist auf die Gramineaen beschränkt. Auch bei Zink-Mangel werden Siderophoren gebildet. Es bestehen Artenunterschiede (Gerste ist effizienter als Mais und dieser effizienter als Sorghum). Bei Phosphor-Mangel kommt es zu einer verstärkten Bildung von Phenolen; diese spielen auch bei der Abwehr bodenbürtiger Krankheiten eine Rolle. Die Löslichkeit von P-Verbindungen wird ferner durch Metall-Chelat-Carboxylate verbessert. Dadurch werden aber bis zu 25 % der zur Verfügung gestellten Kohlenstoffverbindungen benötigt, ähnlich viel wie bei der Mykorrhizierung.

Die meisten Pflanzen sind resistent gegen die meisten Krankheitserreger, es ist aber noch nicht genau verstanden, warum die meisten Pflanzen-Mikroorganismen-Beziehungen nicht zu Krankheiten führen. Es gibt viele Resistenzmechanismen, und die meisten sind multifaktoriell. Darunter befinden sich Antioxidantien bzw. Mikroorganismen, die reaktiven Sauerstoff bilden. Die erste Abwehrreihe wird durch das Innate-Immunsystem gebildet; dabei kommen toxische Stickoxid-Verbindungen zum Einsatz. Bei Infektionen mit Bakterien kommen sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe zum Einsatz; die Bakterien sind aber in der Lage, die Bildung dieser Stoffe zu hemmen. Bakterien sind sogar in der Lage zu zählen. Der Effekt heißt Quorum-Sensing (QS); gemeint ist die Fähigkeit, über chemische Kommunikation die Zelldichte einer Bakterienpopulation zu messen, die Pflanzen können aber auch hier Hemmstoffe bilden. Die Kolonisierungsstrategien der Bakterien sind sich immer ähnlich, egal ob diese nützlich sind oder Schäden hervorrufen. Die meldepflichtige Ralstonia-Bakterienfäule an Kartoffeln verhält sich ähnlich wie das Knöllchenbakterium.

Das bekannteste Wachstumshormon, die Indolyl-Essigsäure, wird nicht nur von Pflanzen, sondern auch von Rhizosphären-Bakterien gebildet. Das Bakterium Serratia nematodiphila erzeugt Gibberelline.

Ein Satz zu den Leguminosen: Bei der Stickstoffbindung durch die Knöllchenbakterien kann es zur Freisetzung von Wasserstoff kommen. Übrigens gibt es auch Stickstofffixierer, die sich an die Getreidewurzeln heften, z.B. Azospirillium brasilense oder in die Wurzel eindringen, z.B. Azoarcus. Es gibt sogar Schwefel-fixierende Bakterien, die die Kreuzblütler besiedeln können; aber Finger weg: die Spezies, die dazu in der Lage ist, Stenotrophomonas maltophilia, kann schwere Infektionen beim Menschen hervorrufen!

Achtung! Die Durchwurzelung des Bodens ist wichtig, aber zu viele Wurzeln im B- Horizont führen zu Verdichtungen und damit zu einem geringeren Porenvolumen, zu einer verringerten Wasserleitfähigkeit und Belüftung. Die Folgen sind Denitrifizierung und andere anaerobe Prozesse.

Die einzigartigen Bedingungen in der Rhizosphäre bilden die Grundlage für die Bodenfruchtbarkeit. Wer nicht an die Evolution glaubt, im Boden kann er sie „hautnah“ erleben, z.B. den Austausch von Genen zwischen den Arten.

Leider interessieren sich die meisten Landwirte nur für zwei Arten von Pilzen: den essbaren und den krankmachenden. Dabei übersteigt eine Gruppe deren Bedeutung bei weitem: 80 % aller Pflanzenarten werden von mykorrhizierenden Pilzen besiedelt. In einem Kubikcentimeter Boden bilden die AMs (arbuskuläre Mykorrhiza) und EMs (Ektomykorrhiza) ein 20 Meter langes Netzwerk. Diese Symbiose zwischen Pilzen und Pflanzen gibt es bereits seit 450 Millionen Jahren. Während in Böden ohne Mykorrhiza die P- Aufnahme sich ausschließlich auf die unmittelbare Umgebung der Wurzeln beschränkt, können die Pflanzen in Böden mit Mykorrhiza die P-Vorräte auch in größerer Entfernung zu den Wurzeln nutzen.

Tabellarisch zusammengefasst ein Überblick über die Zusammenarbeit zwischen Pflanzen und Rhizosphäre. Es gibt sowohl stimulierende, als auch hemmende Faktoren; daneben gilt es sowohl positive als auch negative Wechselwirkungen zu berücksichtigen.

Stimulierende Faktoren sind:

Kohlenstoffverbindungen Vitamine Komplexbildner spezifische Substrate Wasserstoff.

Hemmende Faktoren sind:
gasförmige und lösliche antimikrobielle Hemmstoffe; QS-Inhibitoren.

Positive Wechselwirkungen sind: die erhöhte Löslichkeit für Nährstoffe

das vergrößerte Wurzelvolumen
die Bildung von Wachstumsregulatoren
die Stimulierung von Krankheitsresistenzen die biologische Kontrolle von Pathogenen der Abbau von Hemmstoffen.

Negative Wechselwirkungen betreffen:

die Konkurrenz um Nährstoffe
die Bildung von Phytotoxinen
die Bildung von allelopathischen Verbindungen.

Züchtung auf Krankheitsresistenz ist oft mühsam; wie wäre es mit einfachen züchterischen Maßnahmen zur Steuerung der Rhizosphäre? Hier besteht ein hohes Potenzial, um sowohl das Wachstum als auch die Gesundheit der Pflanzen zu beschleunigen!

Aus Plant & Soil, (2009) 321:235–257; Autoren sind Anton Hartmann & Michael Schmid & Diederik van Tuinen & Gabriele Berg vom Helmholtz-Zentrum in Neuherberg, von der Université de Bourgogne und der TU Graz.

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Dr. Sonja Dreymann

Ich habe das Unternehmen Dreymann-Agrar 2015 gegründet mit dem Ziel, für die Landwirtschaft eine unabhängige Fachberatung zum Boden anzubieten. Mit den Bodenkursen unterstütze ich Landwirte und die weiteren landwirtschaftlichen Akteure (Beratungsvereine, Verbände etc.) im Norddeutschen Raum, sich mit einem neuen Blickwinkel der Bodenbewirtschaftung zu widmen und neue Methoden und Lösungsansätze anzuwenden.