Alle Lebewesen sind oxidativem Stress ausgesetzt, der sowohl genetisch als auch biochemisch aufgefangen werden kann. Dazu zählen die Bildung von DNA-Reparaturmechanismen sowie die Bildung körpereigner Antioxidantien. Ein bestimmtes Stressniveau ist sinnvoll, andernfalls könnten die Schutzmechanismen nicht aufgebaut werden. Die künstliche Zufuhr von Vitaminen und anderen Antioxidantien wird heute eher als kontraproduktiv angesehen. Wichtiger ist die Förderung und Unterstützung der Immunabwehr. Bei den Pflanzen kann dies u.a. durch die Schwefel- und Zinkdüngung sowie den Einsatz von Pflanzenaktivatoren geschehen.
Was genau ist oxidativer Stress?
Grundlage für den oxidativen Stress sind die Sauerstoffradikale (auch als Reaktive Sauersoffspezies bezeichnet; häufig wird in der Fachliteratur die Abkürzung ROS für reactive oxygen species verwendet). Dazu zählen alle leicht reaktiven Sauerstoff-Verbindungen. Am bekanntesten sind das Ozon (O3) und das Wasserstoffperoxid (H2O2). Beide besitzen ein zusätzliches Sauerstoff-Atom, das leicht mit vielen Stoffen reagiert. Übrig bleiben Luft-Sauerstoff (O2) bzw. Wasser. Eine weitere Gruppe sind sauerstoffhaltige Anionen, z.B. das Hyperoxid-Anion und das hochreaktive Hydroxyl-Radikal. Am bekanntesten für den oxidativen Stress ist die Fenton-Reaktion, bei der die zweiwertigen Eisensalze zu dreiwertigem Eisen oxidiert werden. Ähnliche Reaktionen entstehen auch mit Kupfer und Kobalt. Die Fenton-Reaktion ist in biologischen Systemen die Hauptquelle der reaktiven Sauerstoffspezies. Diese oxidieren u.a. lebenswichtige Proteine und Lipide und schädigen die Erbsubstanz. In allen drei Prozessen wird die Alterung beschleunigt und die Lebenserwartung herabgesetzt. Beim Menschen wird durch oxidativen Stress Parkinson ausgelöst; auch Alzheimer und eine Reihe neurodegenerativer Erkrankungen weren mit oxidativen Stress in Verbindung gebracht.
Welche Formen des oxidativen Stress gibt es bei den Pflanzen?
Zu starke Lichteinstrahlung führt dazu, dass die Photosynthese gesättigt ist. Die überschüssigen Elektronen werden an Sauerstoff übertragen. Dabei entstehen Ozon, Wasserstoffperoxid und Hydroxyl-Radikale, die die Zellen schädigen. Bei der Entgiftung spielt das Ascorbat-Enzym des Glutathion die entscheidende Rolle (mit Vitamin C und Schwefel als wichtigen Bestandteilen).
Niedrige Temperaturen können diese Form des oxidativen Stresses verstärken, da die Photosynthese herabgesetzt ist. Zur besseren Bewältigung wird der Einsatz kältetoleranter Sorten empfohlen.
Gegen Hitzestress bilden die Pflanzen Hitzeschock-Proteine und einige Antioxidantien, wobei die Reaktionen auf zu hohe Temperaturen mehr umfasst als nur den oxidativen Stress. Auch hier kommt das schwefelhaltige Glutathion zum Einsatz. Die Hitzeschock-Proteine schützen die anderen Proteine vor Denaturierung und beschleunigen den Abbau nicht mehr funktionsfähiger Proteine. Hitzeschock-Proteine werden auch bei Trockenstress, Schwermetallbelastungen und Stickstoffmangel (!) gebildet.
Trockenheit führt zur Schließung der Stomata, sodass für die Photosynthese kein Kohlendioxid mehr zur Verfügung steht. Erneut ist das Resultat oxidativer Stress. Trockenheit führt zum oxidativen Abbau der Glutathion-Vorräte in den Pflanzenzellen. Gegenspieler sind einige Enzyme.
Der osmotische Stress durch Salzüberschüsse verhält sich ähnlich. Die Pflanzen versuchen sich dagegen durch die Bildung von Antioxidantien und entgiftenden Enzymen zu helfen. Nährelemente, die an den Redox-Vorgängen beteiligt sind, wie z.B. Mangan, unterstützen das.
Und schließlich das Ozon, dass bei hohen Temperaturen in Anwesenheit von Stickstoffdioxid gebildet wird. Ozon dringt über die Stomata direkt in die Pflanzenzellen ein und führt dort zur Bildung von Wasserstoffperoxid und Hydroxyl-Radikalen. Wichtigster Gegenspieler ist erneut das Ascorbat-Enzym des Glutathion, das heißt die Verbindung von Vitamin C und Glutathion.
Zu weiteren Luftschadstoffen zählen das Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff und die Stickoxide. Die schwefelhaltigen Verbindungen werden leicht aufgenommen und über den Sulfat-Stoffwechsel assimiliert; interessanterweise ist Aufnahme bedarfsgesteuert, aber das Schwefeldioxid wird nur teilweise assimiliert. Zu hohe Konzentrationen verursachen oxidativen Stress und Zelltod. Als Gegenreaktion bilden Pflanzen mehr Cystein. Starke Schäden werden ferner durch Schwefelwasserstoff hervorgerufen.
Stickstoffdioxid wird ebenfalls teilweise assimiliert und trägt zur N-Versorgung bei. Die Höhe der Aufnahme hängt von der Aktivität der Enzyme Ferredoxin Nitrat-Reduktase und Ferredocin-Nitrit-Reductase ab; an diesen Enzymen sind Eisen und Schwefel beteiligt. Das Stickstoffmonoxid wirkt eher positiv, zumal es der zentrale Botenstoff im Immunsystem darstellt. Einerseits wird NO mit der Bildung von schwefelhaltigen Stressproteinen in Verbindung gebracht; andererseits ist aber die Entgiftung von Wasserstoffperoxid herabgesetzt. Im Zentrum steht wiederum das Zusammenspiel mit dem reduziertem Glutathion (GSH). Neben Schwefel ist auf eine gute Zink-Versorgung zu achten. Zink reguliert viele Gene, die dem Schutz der Zellen vor stressbedingten Schäden dienen. Das bekannteste Anti-Stress-Enzym in Pflanzen ist Kupfer-Zink-Superoxid-Dismutase. Außerdem sind Kupfer und Mangan als Bestandteile weiterer Superoxid-Dismutasen an der Entschärfung der freien Sauerstoff-Radikale beteiligt.
Außerdem ist die Schwefelassimilation enorm wichtig für die Abwehr von Schwermetallvergiftungen sowie unerwünschten Herbizidwirkungen.
Auch bei Pflanzen ist ein gewisses, wenn auch geringes Maß an oxidativem Stress notwendig. Es fördert die Wurzelbildung.
Aus Sulfur in Plants / Von M. J. Hawkesford u. L. J. de Kok bzw. aus The Molecular and Physiological Basis of Nutrient Use Efficiency in Crops / Von M. J. Hawkesford u. P. Barraclough