Die Nanotechnologie zählt zu den Verfahren, deren Bedeutung für die Landwirtschaft noch erarbeitet werden muss. Der Unterschied zur Mikrotechnologie, die weitgehend durch die moderne Elektronik bestimmt wird, ist frappierend. Die Grenze zwischen den beiden Verfahren wird bei 100 Nanometer (10 Millionstel Meter) gezogen. Die Phänomene, die sich bei dieser Größenordnung einstellen, sind oft nicht vorhersehbar bzw. schwer erklärbar. Bekanntes Beispiel ist das Nano-Gold. In kleinsten Mengen mit Glas vermischt, strahlt es nicht mehr in der bekannten Farbe, sondern ändert sich in leuchtendes Rot. Die mittelalterlichen Kirchenfenster bestehen aus Nano-Gold. Dieser Effekt ist auf die veränderten Oberflächeneigenschaften zurückzuführen; aber auch die Quantenphysik spielt eine wichtige Rolle.
Heute gibt es zahlreiche Nanomaterialien; vieles ist der Natur nachgeahmt. Am bekanntesten sind die Lotus-Effekt-Farben an Hausfassaden und Fahrzeugen, die verhindern, dass der Schmutz haftenbleibt. Die Natur steckt voller Nano-Effekte, seien es unsere Knochen und die Muschelschalen oder die Geißelantriebe der Bakterien.
In einem Fachbeitrag aus dem Jahr 2015 haben Wissenschaftler am Europäischen Forschungszentrum in Sevilla die Einsatzmöglichkeiten der Nanotechnologie in der Landwirtschaft zusammengetragen und in sechs Bereiche unterteilt: Pflanzenschutz und Düngung; Pflanzenzüchtung; Diagnose durch Nanosensoren; Wasserreinigung; Bodenverbesserung. Hinzu kommt noch die Gewinnung von Nanomaterialien aus Pflanzen. Außerdem sind in diesem Beitrag weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen verarbeitet.
Am weitesten ist die Züchtung. Die CRISPR-Cas9-Technologie zählt meines Erachtens zu den Nano-Verfahren. Es geht aber auch um den molekularen Transport von DNA mit Hilfe von Nanopartikeln aus Silizium. Bei Pflanzenschutz und Düngung können die Nano-Verfahren als eine Erweiterung der Präzisionslandwirtschaft angesehen werden. Nanomaterialien können helfen, die Aufnahme von Wirkstoffen und Nährelementen zu verbessern. Durch mit Nährstoffen angereicherte Nanotonteilchen lässt sich die Aufnahme der Elemente über die Wurzeln präziser steuern. An Universitäten im australischen Adelaide und in Kansas werden Nano-Kapseln aus Zink-Oxid entwickelt, die die Nährstoffaufnahme verbessern sollen. In Indien wird an Nanoemulsionen des Niem-Öls geforscht. Das Niem-Öl zählt zu den natürlichen Insektiziden. Nanopartikel aus zerovalentem Eisen können dazu beitragen, mit Schwermetallen und Chemikalien belastete Böden zu entseuchen. Mit Hilfe von Nanozeolithen ist es möglich, stark versauerte Böden zu verbessern.
Der Einsatz von Superabsorbern in Zeolith oder Tonteilchen wird ebenfalls zur Nanotechnologie gezählt. Dadurch wird Wasser gebunden. Derartige Produkte (Geohumus, Stockosorb) kommen in vielen Wüstenregionen zum Einsatz.
Nanoteilchen aus Titandioxid sind Bestandteil der meisten Sonnenschutzcremes. Sie eignen sich aber auch zum Abbau von Kohlenwasserstoffverbindungen im Wasser, wie Arbeiten an der Ulster-Universität in Belfast beweisen. Nanosensoren können helfen das Pflanzenwachstum oder den Bodenzustand zu überwachen und Schaderreger schneller zu entdecken.
Vielfältige Möglichkeiten bestehen auch in der Tierproduktion und der Lebensmittelverarbeitung. An der Cornell-Universität im US-Bundesstaat New York werden Nano-Barcodes entwickelt, um Schaderreger in Agrarprodukten festzustellen. Bei all diesen Verfahren kommen die speziellen Eigenschaften der Nano-Partikel zum Tragen, seien es die größere Oberfläche, die höhere Kationen-Austausch-Kapazität oder die stärkere Ionen-Adsorption.
Das Interesse der Industrie ist aber derzeit noch gering, da die meisten Produkte nach Einschätzung der an der Studie beteiligten Wissenschaftler zu wenig Gewinne versprechen. Auch Vorschriften durch den Gesetzgeber können die Entwicklung hemmen. Die öffentliche Meinung steht der Nanotechnologie eher positiv gegenüber, da die Einschätzung des Nutzens die Skepsis gegenüber vermeintlichen und tatsächlichen negativen Effekten (Feinstaub) überwiegt.